Erfahrungsbericht vom 1. Salomon Zugspitz-Ultratrail

101 Kilometer, 5.474 Höhenmeter, Laufzeit 15 Stunden 21 Minuten von 7:15 Uhr bis 22:36 Uhr (4:26 Stunden hinter der Siegerzeit), Rang 34 von 450 gemeldeten Teilnehmern. Das sind die nackten Eckdaten meines Zugspitz-Ultratrails. Diese Zahlen können aber nur unzureichend die wahren Eindrücke, Qualen aber auch euphorischen Momente wider spiegeln, wie ich diese am heutigen Tag erlebt habe.

Mit den Song „Highway to hell“ wurden wir um 7:15 in der Früh auf die Strecke geschickt. Nachdem es die letzten Tage sehr viel geregnet hat, zeigte sich der Wettergott gnädig und belohnte uns mit sehr angenehmen trockenen Lauf-Temperaturen von ca. 10 Grad im Tal. Die ersten 2 Kilometer ging es noch eben durch den Veranstaltungsort Grainau. Aber bereits bei der ersten Steigung wird bereits attackiert und um Positionen gekämpft. Als ob der Lauf schon an dieser Stelle entschieden würde. Aber irgendwie lasse ich mich auch mitreißen. Gott sei Dank weiß man an dieser Stelle noch nicht, was alles noch auf einen zukommt.

Beim ständigen berauf- / bergab verliert man jedes Gefühl für die Geschwindigkeit. Nach 3 Stunden passieren wir ein Schild mit der Aufschrift „Noch 75 km“. Was, erst ein Viertel der Distanz? Gefühlt sollte es schon wesentlich weiter sein.

Auf den nächsten 5 Kilometer warten nun 1000 Höhenmeter Anstieg auf uns – zum höchsten Punkt der Runde auf 2.200 Meter Seehöhe. Der Steig ist hochalpin. Das Wetter wird zwar immer unfreundlicher, stürmisch mit leichten Regenschauern, aber bis knapp vor dem Gipfel geht alles noch recht gut. Dann bekomme ich plötzlich Krämpfe in beiden Waden. Und ich habe noch keine 30 Kilometer zurück gelegt! Beim anschließenden Abstieg, kann ich nur ganz langsam laufen, werde laufend überholt. Ein falscher Tritt, und der Krampf schießt gleich wieder ein. Das kann dann leicht zu einem Sturz führen. Nicht auszudenken, was das hier oben bedeuten würde!

Jetzt wechseln kürzerer bergauf- und bergab Passagen laufend ab, wir bleiben auf über 2000 Meter. Ganz vorsichtig kämpfe ich mich weiter. Das ist zwar schlecht für Zeit und Platzierung, aber gut für den Kreislauf. Es folgt jetzt Gott sei Dank ein längerer Abstieg, bei dem sich die Muskulatur wieder einigermaßen erholen kann. Dann geht’s noch einmal 600 Meter rauf, bevor man über einen 1000 Meter Abstieg dann zum 5. Verpflegungspunkt bei Kilometer 56,9 kommt. Es ist 15:10 am Nachmittag. Hier gibt es zum ersten Mal auch eine warme Suppe. Herrlich! Ich nehme gleich 2 Tassen, zusammen mit den anderen Sachen, die so angeboten werden: Erdnüsse, Bananen, Orangen, Müsli-Riegel, Kuchen, Brot und Wurst. Energetisch ist man schon ziemlich am Ende, darum sollte man hier auch ordentlich „nachtanken“. Das habe ich somit auch gemacht, allerdings ist mir beim Weiterlaufen jetzt ziemlich schlecht. Der Bauchgurt des Rucksacks drückt und macht die Situation auch nicht besser.

Laut Streckenbuch, das jeder Teilnehmer mitführen muss, sind die nächsten 20-25 Kilometer nicht sehr schwer, da kann man wieder mehr laufen und so einiges an Zeit wieder gut machen. Zeit, die man bei den Anstiegen immer wieder verliert. Bis jetzt kann ich meine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp über 7 km / Stunde halten. Allerdings macht sich nun immer stärker die Erschöpfung bemerkbar. Mit den Krämpfen geht es mir inzwischen wieder einigermaßen gut. Allerdings wartet bei Kilometer 80 der längste Anstieg am Stück noch auf und. 1200 Höhenmeter – einmal Traunstein, bitte sehr! Ich habe einen Mordsrespekt davor. Und dann noch 1300 Höhenmeter runter ins Ziel. Mit total ausgebrannten und schmerzenden Oberschenkel auch kein ermutigender Gedanke!

Jetzt wird jede leichte Steigung bereits zum Problem. Gelaufen wird inzwischen sowieso nur mehr, wenn es wirklich flach ist. Und dann kommt er – der letzte Anstieg. Irgendwie ist man erleichtert, dass es jetzt endlich „los“ geht. Ich versuche, einen gleichmäßigen Rhythmus zu finden. Ja nicht zu schnell, nur das letzte Pulver nicht vorzeitig verschießen. Wider Erwarten geht es überraschend gut. Ca. um 21:15 bin ich endlich oben. Starker Wind, Nieselregen und einbrechende Dunkelheit. Jetzt wird es auch Zeit für die Stirnlampe. Das letzte Stück ist dann noch einmal ein ziemlich steiler und matschiger Waldweg. Ein- oder zweimal kann ich einen Sturz nur mit knapper Mühe vereiden. Jetzt am Ende nur ja keine Verletzung mehr.

Endlich bin ich unten. Jetzt geht’s nur mehr 2 Kilometer auf Asphalt zurück in den Start- / Zielbereich. Das Adrenalin ist hoch, ich kann auch wieder „ganz normal“ laufen. Allerdings nur genau bis zur Ziellinie! Hier erwartet mich bereits meine Frau Sonja. Damit hätte ich nicht gerechnet, da ich ja zu Beginn keine Ahnung hatte, wie lange ich brauchen würde. Jetzt kann ich mich nach 15 Stunden und 21 Minuten auch das erste Mal wieder nieder setzen. Das tut gut. Allerdings nur bis zu dem Moment, wo man wieder aufstehen möchte. Jetzt meldet sich nämlich der Körper mit jedem einzelnen Muskel unliebsam zurück. Mühsam kämpfe ich mich ins Hotel zurück.

Das ist auch der Augenblick, an dem man sich nicht wirklich vorstellen kann, so etwas jemals wieder zu machen. Aber mal sehen, wie man morgen denkt …

Zum Strcken und Höhenprofil, siehe
http://www.zugspitz-ultratrail.de/ultratrail_strecke_D.htm