Stefan Denifl im Interview: Das bald zu Ende gehende Jahr 2017 war ein krasses und wunderschönes Jahr für mich!

Foto: Stefan Denifl

Der Tiroler Radrennfahrer Stefan Denifl blickt auf ein sehr gutes Jahr 2017 zurück. Der 30-Jährige hat bei der diesjährigen Vuelta das 180,5 km lange 17. Teilstück zwischen Villadiego und Los Machucos/Monumento Vaca Pasiega für sich entschieden. Außerdem machte ihn seine Lebensgefährtin Melanie zum Vater eines gesunden und kleinen Sohnes.  Im nächsten Jahr findet in Tirol die Rad-Weltmeisterschaft statt. Auch da möchte Denifl eine gute Figur abgeben. Im nachstehenden Interview spricht berichtet er über seinen Vater Ernst, das Super-Jahr 2017, persönliche Wertvorstellungen, die Idealcharaktere eines Radrennprofis und vieles mehr.

Stefan, in diesem Jahr haben Sie bei der Vuelta (Spanienrundfahrt, Anm. d. Red.) eine Etappe für sich entschieden und damit österreichische Radsportgeschichte geschrieben. Und außerdem wurden Sie heuer Vater eines gesunden Sohnes. Kann man sportlich wie emotional das Jahr 2017 als Ihr Jahr bezeichnen?

2017 war wirklich ein krasses, aber auch ein wunderschönes Jahr für mich, für meine Familie und auch meine Freunde und Fans. Die Geburt meines Sohnes Xaver steht für mich hier ganz oben. Ich war lange skeptisch, wie ich die Vaterrolle annehmen werde, aber es ist das Schönste auf der Welt. Ich bin im Nachhinein so unendlich froh, bei der Geburt live dabei gewesen zu sein. Wie ich Xaver das erste Mal in meinen Armen halten konnte, hat sich meine Welt um 180 Grad gedreht. Das es auch sportlich mein Jahr wurde, ist umso schöner.

Ich habe fast 20 Jahre meines Lebens in den Radsport invertiert – nicht immer lief alles rund – und wenn es mal lief, kam eine Verletzung oder ein Teamwechsel dazu, oder es fehlte einfach das letzte bisschen Glück, um wirklich auch mal was Großes zu gewinnen. Umso schöner ist jetzt diese Genugtuung, dass heuer endlich mal alles zusammen gepasst hat. Hier bei Aqua Blue Sport habe ich nach vier tollen Jahren beim Team IAM wieder eine tolle Heimat gefunden, und ein gutes Umfeld ist einfach das A und O für Erfolge.

Apropos Familie: Trägt Ihr Vater Ernst, der bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta als Mountainbiker am Start war, die Hauptschuld daran, dass Sie auch so ein guter Radsportler geworden ist?

Das stimmt. Ohne meinen Papa Ernst wäre ich wohl kein Radsportler geworden. Mein Papa hat mich, seit ich denken kann, gefördert und unterstützt. Er hat wirklich alles richtig gemacht. Ohne mich zu pushen, und ohne seinen eigenen Ehrgeiz ins Spiel zu bringen, ist er mir über all die Jahre zur Seite gestanden. Und als Draufgabe, hat er mir wohl noch ein paar gute Ausdauer-Gene weiter gegeben.

In einem Jahr findet die Rad-WM in heimischen Gefilden, genauer gesagt in Tirol, statt. Kann man das, ganz plastisch und elementar ausgedrückt, als Karrierehöhepunkt des Stefan Denifl bezeichnen?

Mir liegt die schwere Strecke rund um Innsbruck, und ich freue mich sehr auf die Heim-WM hier in Tirol. Damit es wirklich zu einem Karrierehighlight für mich wird, muss dann auch am Tag X alles perfekt zusammen passen. Wünschen würde ich es mir natürlich, und ich bin top motiviert. Auf jeden Fall wird die Weltmeisterschaft aber ein wichtiger Schritt für das weitere Aufstreben des österreichischen Radsports und eine perfekte Werbung für Tirol als Sommerdestination. 

Trainiert man eigentlich anders, wenn man weiß, dass die Welttitelkämpfe sozusagen vor der Haustür stattfinden, oder ist das vom Aufwand her egal, wo die Weltmeisterschaften stattfinden bzw. über die Bühne gehen?

Also prinzipiell ist es im Radsport etwas anders als beispielsweise im Skifahren. Den Großteil des Jahres sind wir mit unseren jeweiligen Farm-Teams unterwegs, nur eben bei der EM, der WM und bei Olympia starten wir im Nationalteam. Nichtsdestotrotz ist die WM jedes Jahr ein großes und sehr wichtiges Ereignis im Radsport.

Mein Team Aqua Blue Sport weiß, dass 2018 die WM in Tirol für mich eines meiner Highlights wird, und wir werden daher auch meine Vorbereitung und den Rennplan gezielt darauf abstimmen. Aber eines ist klar, wir Österreicher und ich als Tiroler haben natürlich Heimvorteil. Wir können das ganze Jahr über auf den Strecken trainieren, und dazu werden hoffentlich sehr viele heimische Fans am Straßenrand zu uns stehen. 

Kraft, Stetigkeit, Geschicklichkeit, Aufmerksamkeit… Welche Charaktere neben dem Abspulen Tausender Trainingskilometer braucht es, um über kurz oder lang als erfolgreicher und „kompletter“ Radrennfahrer im fairen Wettstreit angesehen zu werden?

Als Radsportler muss man eine enorme Leidensfähigkeit mitbringen. Es gibt in keinen anderen Sport mit solch brutalen Belastungen, wo du so ans körperliche und mentale Limit kommst, wie etwa bei einer großen Landesrundfahrt, die über drei Wochen geht. Zum Glück liegt es in der Natur des Menschen, Schmerzen sehr schnell zu vergessen. Wäre das nicht so, wäre ich wohl schon viele Rundfahrten vorzeitig abgestiegen.

Natürlich muss man auch wie in jedem Sport eine große Selbstdisziplin aufbringen und auf sehr viele schöne Dinge im Leben verzichten können. Die Fahrweise in den Rennen wird immer härter und rücksichtloser, die Veranstalter machen die Strecken immer extremer. Vor allem für junge Fahrer ist dies oft mental eine große Herausforderung. Aber ähnlich wie in der normalen Berufswelt heißt es hier ständig an sich zu arbeiten, Erfahrungen und Tipps zu analysieren und einzubauen und aus Rückschlägen zu lernen. Das Wichtigste ist jedoch, den Spaß am Tun nicht zu verlieren. Nur wer seine Arbeit gerne macht, kann auch gut darin sein.

Was machen Sie, wenn Sie einmal nicht an Bergetappen, Zielsprints, Luft im Reifen und anderen Vokabeln des Radsports denken, und welche Werte, für die Sie gerade stehen und für die es lohnt, zu kämpfen, sind Ihnen auf zwischenmenschlicher wie auch sportlicher Ebene besonders wichtig?

Ich finde den Respekt zueinander sehr wichtig. Ich mag es gar nicht, wenn Menschen aufgrund ihres Erfolges oder ihres Könnens über andere gehoben werden. Ich unterstütze keine Faulheit, aber dennoch finde ich, der große Leistungsdruck der heute herrscht, ist nicht gesund für unser Sein. Die Zeit, die wir auf der Welt haben, ist für jeden begrenzt.

Ziele zu haben, und für diese zu arbeiten ist gut, aber ich meine, man sollte dabei das Leben zu leben nicht vergessen. Wächst der Respekt zueinander, so hoffe ich, wachsen auch der Respekt und die Verantwortung gegenüber unserer Natur. Wie wir heute mit der Welt, unseren Ressourcen, den Meeren und der Umwelt umgehen, spiegelt wohl am besten wider, wie wir miteinander umgehen.

Bleibt das Fazit: Haben Sie ein Lebensmotto, das Sie zu dem ehrgeizigen und sympathischen, in der gleichen Weise erfolgreichen, Radrennsportler gemacht, die Sie sind? Wer hat es das erste Mal zu Ihnen gesagt, und aus weshalb ist, wenn man das Motto beherzigt, der Sport für Sie die beste Lebensschule?

Ich bin kein Mensch mit einem Lebensmotto im klassischen Sinne. Ich denke, der Großteil unseres Tuns und Machens kommt von einer inneren Kraft, die man nur sehr schwer beeinflussen kann. Sport zu machen ist nicht überlebensnotwendig, aber Sport macht uns ausgeglichener und zufriedener, insofern ist er hilfreich für ein glücklicheres Leben.

Einen Spruch, den ich aber gern mag und mir das erste Mal meine Freundin Melanie gesagt hat, ist „Am Ende wird alles gut! Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende!“  

Tagessieg bei der Vuelta im Herbst 2017: https://www.youtube.com/watch?v=4Wxl8x_A3wM