Zwischen Realität und Wirklichkeit ist die Psyche im Weg.

Wir schreiben Ende Jänner. Trainingslogbuch Woche 4. Der Frühling hatte bereits einen kleinen Vorgeschmack vorausgeschickt. Rasend schnell wurden die mehr oder weniger servicierten Carbon-Kampfmaschinen aus dem Keller geholt und auf dem mit reichlich Kieselsteinen bestückten Asphalt zur Schau gestellt. Es wurde gerollt, was die Kilos und die Kondition derzeit hergeben. Und dann wurde gefachsimpelt. Über den bisherigen Trainingsverlauf und über den Form status quo. Auf der einen Seite hörte man die "Angeber" und auf der anderen Seite die "Tiefstapler." Die einen sind schon viel weiter als gedacht und die anderen trauern ihrer alten Form nach. Ihre Vorbereitung läuft derzeit noch nicht rund. Da zwickt es. Dort ist die Zeit zu knapp. Hier ein paar Kilos zu viel auf den Rippen. Der Puls ist auch noch viel zu hoch. Alles in allem ist diese Gruppe froh überhaupt am Leben zu sein. Mitleid und aufmunternde Worte. Das ist es, was diese Athleten hören wollen.

Und doch ist alles anders. In Wirklichkeit ist es Psycho-Terror. Der eine will den Gegner jetzt schon vernichten, der andere sich selbst. Hier die nackte Wahrheit und die Entlarvung beider Sportlertypen Modell Ende Jänner.

Der Angeber: Dieser steigt morgens gar nicht mehr auf die Waage, denn der Anblick würde ihm den Tag versauen. Mindestens 3 Kilo Übergewicht. Mindestens. Die Jeanshose vom letzten Sommer passt nicht. Die "ab morgen bin ich auf Diät" Versprechen ernten im Familienkreis weniger als nix. Das reklamierte und umgetauschte viel zu große Finischer Trikot vom letzten Sommer wird schmerzhaft vermisst. Die Radhose zeigt die sündhaften Vernachlässigungen klar und deutlich. Die Sitzposition am Rennrad und am Ergometer ist aufrecht - ein Halten des Unterlenkers unmöglich. Trainiert - wenn überhaupt - wird meistens allein. Ja kein Aufsehen erregen. Tragödie.

Der Tiefstapler: Dieser war den ganzen Winter über die Disziplin in Person. Von Weihnachten bis zu den Heiligen 3 Könige wurde das Kampfgewicht sogar unterschritten. Der Trainingsplan penibelst eingehalten. Angst hat sich breit gemacht. Ungläubigkeit. Ob das bis zum Sommer zu halten ist? "Ja, ein wenig habe ich schon trainiert" ist der typische Standardsatz und die etwas wackelige Rechtfertigung, dass dieser Mensch eingefallene Wangen hat.  Man sieht ihn jetzt schon Sonntags mit dem Rennrad Edition "Steinschalg ist mir wurscht" herumfahren. Der Alu-Kotflügel am Hinterrad verrät ihn von weiten. Er ist der heißeste Kandidat für das Podium beim ersten Frühlingslauf.

Zum Glück ist es noch nicht zu spät. Der eine oder anderen Angeber wird mit Sicherheit noch zum Tiefstapler. Denn Überraschugnen sind im Sport immer noch das Tüpfelchen auf dem i.