Rennsteiglauf 2015

Vier Besessene. Eine Mission. Rennsteiglauf 2015.

In was hatte ich mich hier wieder hineingeritten? Keine Ahnung wie, noch wann, geschweige denn warum ich mich für diesen Wahnsinn gemeldet hatte. Aber gut, was soll's. Jetzt saß ich mit diesen Wahnsinnigen bereits bei 180 Sachen in einem Peugeot nach Eisenach. Es gab kein zurück.

Der Rennsteiglauf, der als ältester Trail-Lauf Europas gilt und auf verschiedensten Distanzen an die 15000 Laufhungrigen nach Thüringen lockt, bietet dem verrückten Volk auf der Ultra-Distanz 73 Kilometer mit 1800 Höhenmetern im Anstieg. Daraus folgend und mangels Erfahrung wusste ich also nicht so recht, was mich erwarten würde.

Zu frühmorgendlicher Stunde, um 0600 um genau zu sein, schickte der Startschuss die gut 2000 Wahnsinnigen auf ihre stundenlange Reise. Meine Beine waren schon mal besser, was aber nicht weiter schlimm war, würde der Spaß hier ohnehin schmerzhaft werden. Im Gleichschritt mit Laufkumpel Demeter aka @triathlondog ging es auf die ersten Kilometer. Die anfängliche Zuversicht wich nach knapp einer halben Stunde Laufzeit einem allgemeinen Unwohlsein. Negative Gedanken, Schweregefühl in Bauchgegend und Beinen ließen erste Zweifel hochkommen.. Ich riet Demeter, alleine zu laufen. Diesen Kampf musste ich wohl oder übel alleine schlagen. Dennoch versuchte ich irgendwie – mehr schlecht als recht – die verbliebene Motivation aufrecht zu erhalten.

Um wenigstens mein Völlegefühl loszuwerden, wählte ich den Weg in die Büsche. Ein Mal für große Ultras, bitteschön. Geschäft erledigen, weglaufen und zack – ein neuer Mensch. Die Leichtigkeit war wieder da. Langsam aber sicher konnte ich das Loch zu Multisport-Ikone Dick zulaufen. Ich war wieder im Rennen. Bis Kilometer 24 weist der Kurs gut 850 Höhenmeter auf. Also nicht unbedingt flach. Bei Kilometer 30 stellte ich zum ersten Mal die Frage in den Thüringer Wald, ob wir nicht eventuell zu schnell liefen. Demeter antwortete salopp mit ''doch''. Nun denn, wer wird jetzt schon langsamer? Ist ja schließlich nur noch ein Marathon zu laufen. Also Augen zu und durch.

Mit fortschreitender Renndauer machten sich die fehlenden Trainingskilometer langsam aber sicher bemerkbar. Die Beine wurden immer schwerer. Kurze Anstiege wurden zu Bergen. Sekunden zu Minuten. Von Motivation keine Spur. Die Resignation vor dem innerlichen Auge omnipräsent. Als wir bei Kilometer 42 durchliefen und ich mir vergegenwärtigte, dass immer noch 30 Kilometer zu laufen seien, legte in meinem Kopf ein Schalter um. Der klassische Schlag in die Magengrube. Die böse Stimme im Ohr: ''Steige aus''..... Niemals, ich laufe weiter.

Man kennt doch diese Erzählungen: '' Du wirst während eines Ultras Tiefs und Hochs haben''. Hatte ich nie geglaubt. Aber genau so ist es. Die letzten 30 Kilometer waren ein ständiges Auf und Ab. Schwarz und Weiß. Gut und Böse. Krieg und Frieden. Immer an der Schwelle aufzugeben, aber dennoch weiterlaufend, meisterten wir meist schweigend diese höllische Phase.

Kurz vor dem Ziel mobilisierte ich alle mir verbliebenen Kräfte und kassierte zwei Konkurrenten quasi im Sprint. Die letzten Meter vor der Ziellinie unvergesslich. Pure Emotionen. Momente, die mir niemand je wieder nehmen kann. Im Ziel regieren zwei Dinge. Schmerz und Stolz. Das ist Ultra.

Letztendlich reichte es in meinem ersten 50k+ Rennen zum beachtlichen 12. Gesamtrang und dem Sieg in der Altersklasse M30. Aber nicht nur die eigene Leistung war beeindruckend, auch die Resultate meiner deutsch-österreichischen Kumpanen waren grandios. Rückblickend geht der Rennsteiglauf 2015 für mich als bisheriges Highlight in mein Läuferleben ein, auch wenn die persönlichen Leistungen hierzu nur einen Bruchteil beitrugen. Beeindruckend waren vor allem die Herzlichkeit der Massen, die Begeisterung der Läufer, Helfer und Zuschauer, aber auch die Natürlichkeit und Ungezwungenheit der Trail-Gemeinschaft. Ganz großer Sport mit ganz großen Emotionen. Thüringen sieht mich wieder.